Kündigungsinitative: Nur ein linkes Nein hilft den Arbeitenden

31.08.2020 - Beat Schenk

70 Jahre nach der fremdenfeindlichen Schwarzenbach-Initative kommt heuer eine neue Vorlage aus der rechten Ecke zur Abstimmung. Die SVP nennt sie „Begrenzungsinitiative“, wir SozialistInnen nennen sie ganz einfach „Kündigungsinitiative“.

Die SVP wünscht sich darin eine „massvolle Zuwanderung“, der Widerspruch im Bürgertum zwischen dem Bedarf an Arbeitskraft aus aller Welt und der Angst vor der Fremde wird einmal mehr sichtbar. Die Tatsache, dass die meisten SVP-Parteikader FirmenbesitzerInnen sind, lässt die Vorlage auf den ersten Blick absurd erscheinen, doch steckt hinter der Idee nicht einfach Dummheit, sondern wirtschaftliches und politisches Kalkül.
Diesmal greift die SVP die Personenfreizügigkeit an, also die Möglichkeit für viele Arbeiterinnen und Arbeiter sich mehr oder weniger frei innerhalb von Europa zu bewegen.

Auch wenn die Personenfreizügigkeit für viele Angehörige der Unterschicht noch nie Realität war, auch wenn an den Grenzübergängen Rassismus und Klassenfeindlichkeit herrscht und auch wenn der Europäische Binnenmarkt das oberste Ziel hat, dass Arbeitskraft schnell und billig zwischen den Nationen Europas eingekauft und ausgetauscht werden kann, ist dieser Angriff auf die Personenfreizügigkeit auch ein Angriff auf die Arbeiterinnen und Arbeiter, besonders auf die internationale Solidarität unter den Werktätigen. Die SVP hat es gleichzeitig auch auf die Flankierenden Massnahmen (FlaM) abgesehen, sie greift damit den Lohnschutz der ArbeiterInnen an. Durch die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit sollen die Gewerkschaften und die Gesamtarbeitsverträge zurückgedrängt werden, um die Löhne zu drücken und die ArbeiterInnen „freier“ ausbeuten zu können.

Teile und Herrsche
Was die Begrenzungsinitiative will, ist die Spaltung der arbeitenden Klasse anhand nationaler, chauvinistischer und rassistischer Linien. Was die SVP mit dieser Initiative den Schweizer Lohnabhängigen mitteilen will ist: „Wenn wir eure Arbeitsstellen streichen und euch auf die Strasse stellen, trifft es immer zuerst die AusländerInnen.“ und „Wenn wir arbeitenden Hände und denkenden Köpfe brauchen, nehmen wir immer zuerst SchweizerInnen.“
Auf den ersten Blick wirkt das für die Arbeiterinnen und Arbeiter mit Schweizerpass vernünftig, es ist das süsse Versprechen, gegenüber den ausländischen KollegInnen vorteilhaft behandelt zu werden. Doch dieser Vorteil ist reine Verarsche, er bringt den Schweizer Werktätigen wenn überhaupt nur sehr kurzfristige und kleine Vorteile. Er spaltet aber die Belegschaften zwischen In- und AusländerInnen, schwächt so den Widerstand gegen die Macht der Bosse und beraubt so die ganze arbeitende Klasse ihrer eigentlichen Stärke, nämlich der solidarischen, kollektiven, klassenbewussten Aktion. An die Stelle von Klassenbewusstsein soll nationales Bewusstsein treten, an die Stelle der Solidarität unter den ArbeiterInnen die Konkurrenz, an die Stelle des organisierten Kampfes gegen die Ausbeutung der Bosse und CEOs die Missgunst und der Rassismus unter den Werktätigen.

Die Kündigungsinitiaitve ist somit eine weitere Episode in einer Serie fremdenfeindlicher Angriffe von rechts. Es ist also nicht allein die spezifische Frage: „Personenfreizügigkeit ja oder nein“, sondern vielmehr die prinzipielle Frage „Einheit der Klasse oder nationalistische Spaltung“. Wie bei jeder rechtspopulistischen Vorlage, von Schwarzenbach über die Verschärfungen im Asylrecht bis zur Ausschaffungsinitiative, immer wird versucht mit der Angst der Arbeiterinnen und Arbeiter zu hausieren, sie zu schüren und die Spaltung voranzutreiben. Doch Arbeiterinnen und Arbeiter dieser Welt haben aber kein Vaterland, weder in der Schweiz noch sonstwo. Die nationalen Interessen sind immer die Interessen der einen oder anderen nationalen herrschenden Klasse. Als Arbeiter bin ich um zu leben gezwungen meine Arbeitskraft zu verkaufen, ich teile das Schicksal von Millionen von Klassenbrüdern und -Schwestern auf der ganzen Welt. Ob die Arbeit von einer schwarzen oder weissen Hand, von einem Schweizerischen oder einem Italienischen Kopf gemacht wird, spielt für die Arbeit selbst keine Rolle. Aus der Perspektive der Klassengegensätze zwischen der Herrschenden Bürgerlichen Klasse und der beherrschten arbeitenden Klasse gibt es nichts was die Werktätigen aller Länder voneinander unterscheidet. Wir brauchen uns nicht zu bekämpfen, wir teilen das selbe Schicksal, wir haben die selben Interessen.

Durch die Spaltung der ArbeiterInnen hofft das Bürgertum die drohende Arbeitslosigkeit auf die AusländerInnen abwälzen zu können
Durch die Spaltung der ArbeiterInnen hofft das Bürgertum die drohende Arbeitslosigkeit auf die AusländerInnen abwälzen zu können

Angriff ist die einzige Verteidigung
Die Antwort auf die eine oder andere fremdenfeindliche Vorlage muss sich also immer auf den Internationalismus, den Antirassismus und die Solidarität unter allen Arbeiterinnen und Arbeitern stützen. Die Interessen der Schweizer Wirtschaft, also der Wirtschaft der Schweizer Bosse, das Ansehen der Schweizer Nation in Europa, also das Ansehen der Schweizer Elite gegenüber anderen Eliten, der Zugang zum Binnenmarkt oder was auch sonst noch alles ins Feld geführt wird von Liberalen und deren Schosshunden ist bürgerliche Quacksalberei und unbedeutender Unsinn. Die Personenfreizügigkeit ist ein Nebenprodukt des europäischen Binnenmarktes, welcher die freie Zirkulation von Waren, Dienstleistungen, Finanzen und Personen garantieren soll. Die Reisefreiheit ist also bestenfalls ein positiver Kollateralschaden einer kapitalistischen Errungenschaft und kein reiner zivilisatorischer Fortschritt. Ziel der EU und des Binnenmarktes sind nich Völkerverbindung und Freiheit für alle, sondern Kapitalverbindung und Machtausdehnung für wenige. Dagegen hilft aber kein Nationalismus der SVP und auch keine Einsicht in die bürgerlichen Sachzwänge einer FDP oder Economiesuisse. Dagegen hilft nur Klassenbewusstsein und Internationalismus. Wir retten nicht einfach die Personenfreizügigkeit, wir retten, fordern und fördern die Solidarität! Gerade wenn die Organisationen der Arbeiterinnen und Arbeiter, also die linken Parteien und Gewerkschaften, die nationalen Interessen über oder nur schon neben die Interessen der arbeitenden Klasse stellt, begeht sie einen Fehler, dessen Folgen direkt auf uns ArbeiterInnen zurückschlägt. Die unheilige Allianz zwischen ArbeiterInnenorganisationen und liberalen Parteien und Wirtschaftsverbänden erzieht unsere GenossInnen und KollegInnen der Vernunft des Bürgertums zu folgen, statt auf die eigene Klassenvernunft zu vertrauen. Der Kampf gegen rechts muss immer ein Kampf um die Einheit der Klasse im Kampf gegen die Unterdrückung sein. Der Kampf gegen eine Kündigungsinitiative muss zum Ziel haben, die Trennlinien zwischen Kapital und Arbeit klarer aufzuzeigen und die Gegengesetzten Interessen zwischen den Klassen aufzudecken. Wenn wir uns nicht als ganze Klasse, unabhängig von Nationalität und Aufenthaltsstatus, gegen die rechte Demagogie und Spalterei wehren, werden wir immer und immer wieder den fremdenfeindlichen Angriffen von rechts ausgeliefert sein. Wenn wir uns aber einig werden, als Arbeiterinnen und Arbeiter aller Länder agieren, sind wir die stärkste politische und wirtschaftliche Kraft, die man eh und je gesehen hat. Dann ist plötzlich alles möglich, dann kämpfen wir als Linke nicht mehr um das eine oder andere Mitglied oder den einen oder anderen Parlamentssitz, die eine oder andere bürgerliche Vorlage, den einen oder anderen GAV. Dann kämpfen wir als Klasse für eine Zukunft, in der er sich zu leben lohnt.