Als einzige Kandidatin tritt die Pflegefachfrau Marina Bruggmann für das freiwerdende Präsidium der SP Thurgau an. Am vergangenen Mittwochabend sass sie bei einem Hearing auf dem “heissen Stuhl” der JUSO Thurgau. Am Ende des Abends entschieden sich die Mitglieder für die Stimmfreigabe.
Bei den gesellschaftspolitischen Themen konnte Marina Bruggmann die Mitglieder der Juso Thurgau überzeugen. Überrascht hat sie mit ihren progressiven Haltungen zur Drogenpolitik, mit der sie vielen Personen der SP voraus ist. Aus ihrem Beruf und ihrem persönlichen Umfeld habe sie viel Erfahrung mit dem Thema Drogen und sei ganz klar für die Entkriminalisierung aller Rauschmittel. Nur so könne man Abhängige vor Kriminalität und unreinen Mitteln schützen sowie den Weg aus der Sucht mit Aufklärung und staatlichen Programmen ebnen.
Auch mit ihrer fortschrittlichen Meinung zur Prostitution hebt sie sich von populären Haltungen in der Linken ab und vertritt laut der JUSO Thurgau sehr korrekte Positionen. Kaum eine Frau suche sich die Prostitution freiwillig aus, sondern die allermeisten werden durch materielle Notlagen in diese Tätigkeit gezwungen. Um diese Frauen zu schützen, müsse man ihre Tätigkeit entkriminalisieren und niederschwellige Ausstiegsmöglichkeiten als auch Zugang zu Bildung anbieten. Zudem garantierte Marina Bruggmann einen konsequenten Einsatz für die Rechte von queeren Personen.
Die Mitglieder der JUSO Thurgau vermissten bei der Kandidatin allerdings ein geschlossenes Programm. Auf Nachfrage konnte sie beispielsweise kein Versprechen abgeben, sich konsequent und ausschliesslich für die Rechte und Interessen der Lohnabhängigen und Werktätigen einzusetzen. Zudem äusserte sie noch Hoffnungen in den “freien Markt”, wie sie es bei ihrer Äusserung über die globale Bewältigung der Coronapandemie offenbarte. Die freie Konkurrenz sei ein Antrieb für die Entwicklung des Impfstoffs gewesen und bilde daher die Grundlage für die globale Bekämpfung von Covid-19. Dabei lässt sie allerdings ausser Acht, dass die Impfstoffe lediglich mit staatlicher Unterstützung entwickelt werden konnten und der “freie Markt” zur massiv ungleichen Verteilung der Impfstoffe führt, wie ein JUSO-Mitglied entgegnet. Die Profitlogik in der Produktion und die Aufteilung der Welt in Nationalstaaten würden keinen Antrieb sondern Hemmnisse bilden.. Zudem habe man in Kuba, wo in der Produktion keine Profitlogik herrscht, mehrere hochwirksame Impfstoffe und Medikamente entwickelt.
Gerade in der herrschenden Krise müsste die SP ihre Rolle als Partei der ArbeiterInnenklasse wieder wahrnehmen, dem Unmut der Lohnabhängigen Ausdruck verleihen und die ArbeiterInnen hinter einem konsequenten Programm organisieren. Ohne einem geschlossenen sozialistischen Programm glaubt die Juso Thurgau nicht, dass Marina dieser Tendenz entgegenwirken kann. Im Vergleich zu vorherigen Führungen der SP Thurgau stellt sie weder einen Fort- noch Rückschritt dar. Aus diesem Grund tätigt die JUSO Thurgau keine Wahlempfehlung, sondern entschied sich mit drei Enthaltungen für die Stimmfreigabe.